Hören Sie mal rein: Die laute Realität des U-Bahn Betriebshofs

Am 19. November folgten gut 20 Mitglieder der Bürgerinitiativen „U-Bahn Betriebshof Süd“ und „Saubere Luft für Neubiberg und Waldperlach“ und einige Stadträte der Einladung der Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) in den U-Bahn Betriebshof Fröttmaning. Ziel war es, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen Eindruck zu vermitteln, mit welcher Lärmbelästigung durch den geplanten Betriebshof in Neuperlach tatsächlich zu rechnen wäre. Neben der Geräuschkulisse auf dem vorgesehenen Werksgelände fürchten die Anwohner insbesondere die angedrohten nächtlichen Ruhestörungen durch bis zu 120 Bremstests auf einem Abnahmegleis, das parallel zur S7-Bahnstrecke zwischen Neuperlach Süd und Neubiberg verlaufen soll.

Auf dem Testgleis im Fröttmaninger Betriebshof wurden den Besuchern Bremstest vorgeführt, wie sie zukünftig auch auf dem geplanten Neuperlacher Bremsgleis vorgesehenen sind. Getestet wurden vor allem der moderne C-Wagen, der künftig am häufigsten in Neuperlach Süd fahren soll, aber auch ältere U-Bahn B-Wagen bei jeweils 60 km/h und 30 km/h. Um die unterschiedliche Geräuschentwicklungen zu verdeutlichen, wurden alle Bremssysteme der Züge, mechanische und elektrische vorgeführt.

Hören Sie mal rein:

Bremstest eines U-Bahn C-Wagens bei 60 km/h

„Schlimmer als befürchtet“ – Bremstests schockieren Anwohner

Die erste Vorführung demonstrierte direkt den „Worst Case“, die mechanische Bremsung aus 60 km/h eines modernen C-Wagens. Sichtlich erschüttert lauschten die Bürger den 10 Sekunden, gefühlt aber ewig anhaltenden kreischenden Lärm. Nach einem Moment der Sprachlosigkeit überschlugen sich die Reaktionen: „Das ist ja schlimmer als ich befürchtet hatte“, meinte ein Anwohner entsetzt. „Schrecklich!“ und „absolut grauenhaft“, pflichteten ihm andere Teilnehmer bei. Man möge seitens der MVG bitte nicht vergessen, dass man sich in einem Wohngebiet befände. Eine Dame stellte fest, dass ihr Schlafzimmerfenster nur 80 m von der Teststrecke entfernt sei.  

Die mechanische 30 km/h Bremsung empfanden die Besucher als ähnlich laut, nur eben zeitlich etwas kürzer. Auch die Bremsgeräusche der älteren B-Wagen empfanden die Gäste aus dem Münchner Südosten als sehr unangenehm , wenn auch etwas weniger laut als die der C-Wagen. Einige Teilnehmer berichteten immerhin noch von Schallwerten zwischen 60 und 70 dB, die sie mittels Smartphone Apps gemessen hatten.

Aussicht auf Lärmschutzwand kann nicht beruhigen

Wenig beruhigend wirkte die überraschende Ankündigung der MVG-Projektleitung, eine insgesamt 3,5 m hohe und 900 m lange Lärmschutzwand für die jetzt tiefergelegte Bremsstrecke in Aussicht zu stellen. Nach dem ohrenbetäubenden Krach der Bremstests blieben die Anwohner bei ihren Zweifeln, dass eine solche Maßnahme ausreichend sein würde. Vergeblich versuchte die MVG weiter zu beschwichtigen, dass durch die Planung „nur theoretisch“ die Möglichkeit gegeben sei, bis zu 120 Bremstests pro Nacht zu fahren, dies aber möglicherweise nicht so häufig vorkommen würde.

Diskussion um Standortfrage

In der aufflammenden Diskussion sprach ein Teilnehmer nochmals die Auswahlkriterien für den Standorts Neuperlach an. Im Jahr 2017 war ein Tagesbetrieb an Werktagen angekündigt worden – jetzt soll in Neuperlach rund um die Uhr gearbeitet werden und zwar auch an Sonn- und Feiertagen. Und auch die zunächst in Aussicht gestellten Schallschutzmaßnahmen wurden stark reduziert – der Abstellbereich sollte ursprünglich eingehaust sein. Obwohl sich laut MVG die Anforderungen für den zweiten U-Bahn Betriebshof seit dem Standortentscheid für Neuperlach stark geändert hatten, wurde keine Neubewertung des gewählten Standorts und möglicher Standortalternativen durchgeführt. Die mit den Anforderungsänderungen notwendigen Planänderungen für den Betrieb des zweiten Betriebshofes wurden nur für Neuperlach umgesetzt. Den rund um den Betriebshof befindlichen Wohngebieten sind nach Einschätzung der MVG die extrem ausgeweiteten Betriebszeiten und stark reduzierten Schallschutzmaßnahmen zumutbar. Mit diesem für die Betroffenen sehr unbefriedigenden Ergebnis wurde das Gespräch zu diesem Thema beendet.

Rangiergeräusche lauter als Bremsgeräusche

Unangenehm überrascht wurden viele Besucher vom Lärm rangierender U-Bahnen, der die lebhaften Gespräche immer wieder übertönte und unterbrach. „Ich wusste gar nicht, dass eine U-Bahn beim Überfahren einer Weiche derartig viel Lärm verursacht. Das ist ja noch lauter als das Quietschen bei den Bremstests,“ fasste ein Teilnehmer zusammen. Dabei wurden mittels Smartphone Apps sogar Höchstwerte von über 80 dB gemessen. Und selbst die Geräusche der stehenden U-Bahnen, das Brummen und die Vibrationen ihrer permanent laufenden Gebläse wurden als laut und sehr belastend empfunden. In den Planungen der MVG ist kein gesonderter Lärmschutz für die Rangierharfe vorgesehen.

Verkehrs- oder Anlagenlärm? Klassifizierung entscheidet über zumutbare Belastung

Auf Rückfrage einer Teilnehmerin wies die MVG darauf hin, dass ihrer Auffassung nach das laute Rangieren auf den Gleisen und Weichen innerhalb des Betriebshofes als Verkehrs- und nicht als Anlagenlärm zu klassifizieren sei. Im Fall von Verkehrslärm erlauben die gesetzlichen Grenzwerte eine deutlich höhere akustische Belästigung. Ob aber eine im Werksgelände und auf dem Abnahmegleis durch deren Betrieb erzeugte Schallemission nicht doch als Anlagenlärm zu sehen ist und damit niedrigeren Grenzwerten unterliegt, wird definitiv noch tiefer hinterfragt werden müssen. Ganz zu schweigen von den Bremstests, die mit einem geregelten Linienverkehr erstmal herzlich wenig zu tun haben.

Höhensimulation für Lärmschutzwände

Anschließend wurde den Bürgern an einem Gebäude innerhalb des Betriebshofes illustriert, wie hoch eine 8 m hohe Mauer wäre. Denn eine solche Lärmschutzmauer wird das äußere Erscheinungsbild des Betriebshofes an der Süd- und der Ostseite prägen. Ob die Bepflanzung vor der Mauer, um die sich die MVG wirklich sehr bemüht, das ganze Bauwerk attraktiver erscheinen lässt, ist am Ende Geschmackssache.

Aktueller Planungsstand des Projekts

Auszug aus dem Handout der MVG zum aktuellen Planungsstand (19.11.21)
Zum Download des Handouts (PDF) Bild anklicken!

Zum Abschluss erläuterte die MVG-Projektleitung den derzeitigen Planungsstand anhand einiger Zeichnungen und Grundrisse und überreichte den Teilnehmern eine Informationsmappe dazu (hier zum Download). Mit der neuen Lärmschutzplanung, die jetzt auch das Abnahmegleis einbezieht, wolle die MVG ein neues Lärmschutzgutachten erstellen lassen, das der Öffentlichkeit nach Fertigstellung auch zeitnah vorgestellt werden soll. Die MVG sagte zu, bis dahin zu versuchen, bereits realisierte Lärmschutzmaßnahmen an vergleichbaren Anlagen irgendwo in Deutschland zu finden, um an realen Beispielen die Wirksamkeit der angekündigten Lärmschutzwände am Abnahmegleis einschätzen zu können.

Die Eingeladenen dankten für die Transparenz der MVG, verließen aber auch gerade deswegen den Fröttmaninger U-Bahn Betriebshof mit einem unguten Gefühl. Man hatte einen realistischen Eindruck bekommen, was einen in Neuperlach in ein paar Jahren erwarten könnte. Die Furcht vor lauten und schlaflosen Nächten ist bei den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern keinesfalls beseitigt.

Die BI „U-Bahn Betriebshof-Süd“ bedankt sich bei der MVG für die Veranstaltung und die sehr offen und fair geführten Gespräche, auch wenn die Gesprächsergebnisse aus Sicht der Bürgerinitiative nicht ausreichend und befriedigend waren.

Es bleibt weiterhin die Frage:
Ist der Standort Neuperlach für den zweiten U-Bahn Betriebshof der richtige?
<ML/BG>