Die IAA, der Betriebshof und die Feigenblattpolitik der Stadt München

Man mag sich die Augen reiben, wenn man angesichts des von der Stadt München intonierten Erreichens der klimapolitischen Ziele feststellen muss, dass dem sogenannten “Greenwashing“ der Autobauer durch die Stadt Tür und Tor geöffnet und für die IAA öffentlicher Raum zur Verfügung wurde.

Die Entrüstung der Umweltverbände wie dem Bund Naturschutz Bayern, dem Münchner Umweltinstitut und dem Verkehrsclub Deutschland ist massiv. Dies wurde in einem offenen Brief an OB Reiter zum Ausdruck gebracht und insbesondere auch der Missbrauch des öffentlichen Raums für die Interessen der Autobauer beklagt. Ob der OB bisher auf diesen offenen Brief der Umweltverbände geantwortet hat, ist nicht bekannt.

Während der IAA konnten Passanten den Königsplatz nicht durchqueren und Demonstrationsrechte wurden erheblich eingeschränkt (vgl. BR 24 10.09.2021, 17.25 Uhr; Ulrich Trebbin, www.br.de). Ganz unabhängig davon war das Polizeiaufgebot in der gesamten Stadt, auch im Randbereich, beeindruckend groß und es stellt sich die Frage, wer denn die Kosten hierfür trägt. Die Veranstalter der IAA oder der Steuerzahler? 

Unter dem Deckmantel einer angeblich verantwortungsvollen „grünen“ Politik und nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“ werden dem Bürger schädliche Maßnahmen ohne Rücksicht auf Verluste zugemutet. Wenn in der Politik nur eines eine Rolle spielt, Kosten und Geld, ist es auch nicht verwunderlich, dass die Automobil-Lobby von der Stadt hofiert wird. 

Es drängt sich dabei nicht zum ersten Mal der Eindruck auf, dass auch die Stadt München selbst „Greenwashing“ in ihrer Stadtplanung betreibt. So auch bei der Planung U-Bahn Betriebshof Neuperlach-Süd, bei der die Stadt billigend in Kauf genommen wird, dass ca. 16.000 (!) Bürger in Neuperlach-Süd, Waldperlach und Neubiberg durch den geplanten U-Bahnbetriebshof Neuperlach-Süd erheblich in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt werden. 

Das mag man das Projekt an sich bewerten wie man will, aber eines ist nicht akzeptabel: 

Das Benutzen des Feigenblatts angeblich grüner, klimaschutzorientierter und vorgeblich bürgernaher Politik, die in der Realität aber alles andere als bürgernah ist. 

Unter dem Deckmantel, Klimaschutzziele erreichen zu wollen und daher den ÖPNV ausbauen zu müssen, versucht die Stadt entgegen anders lautender Zusagen aus dem Jahr 2017 im Hauruckverfahren einen 24 Stunden, also Tag und Nacht und auch an Sonn- und Feiertagen laufenden U- Bahnbetriebshof mit 900 m langen Bremstestgleis (neben weiteren gleichzeitig geplanten neuen Gleisen) inmitten von Wohngebieten durchzudrücken. Dieser Betriebshof liegt am Südende Neuperlachs, das mit einer  Bevölkerungsdichte von über 8.810  Einwohner/qkm (vgl. Feldmoching-Hasenbergl durchschnittlich 2.145 Einwohner/qkm; Quelle: www.citypopulation.de) nicht nur mit erheblichen sozialen Themen belastet ist. Grüne Flächen sind dort kaum noch zu finden.  

Das ca. 8000 qm große Planungsgebiet (ca. zehn Fussballfelder) ist eines der letzten, derzeit noch landwirtschaftlich genutzten grünen Flächenstücke in Neuperlach-Süd und befindet sich unmittelbar am dünnen Grünstreifen des Gefildes,der dringend für die Vielzahl an Menschen, insbesondere Familien mit Kindern zur Erholung gebraucht wird (vgl. www.google.com/maps). 

Der Betriebshof Ist von mehreren Kindergärten und Spielplätzen umringt und grenzt dabei direkt an die reinen Wohngebiete von Waldperlach und Neubiberg sowie an eine Kleingartenanlage mit 88 Parzellen. Direkt vor deren Nase sollen dann 8m hohe Lärmschutzwälle errichtet werden! 

Jeder, der sich dieses Planungsgebiet heute ansieht, kann nur zu dem Schluss kommen: Das kann man da nicht bauen. Sogar der verantwortliche Stadtrat der SPD, Herr Nikolaus Gradl äußerte in einer SPD-Veranstaltung am 21.07.2021 in Waldperlach, dass er sich das so nicht vorgestellt habe. 

Konfrontiert man aber die Stadt mit diesen Argumenten, verbleibt es nur lapidar bei der Bemerkung: Die Lärmschutzgrenzen würden angeblich alle knapp eingehalten und es sollten irgendwie noch Lärmschutzmaßnahmen ergriffen, genauer: eine (!) Baumreihe gepflanzt werden. Dabei haben die Stadt und MVG in ihrer eigenen Präsentation in Windrichtung Westen gerade einmal zwei Schall-Messpunkte unmittelbar hinter der 8 m hohen Schallschutzwand untersucht. Kein einziger Messpunkt liegt in Waldperlach, deren Bewohner durch die Lärmverfrachtung bei Westwind massiv beeinträchtigt werden. Da helfen auch keine Lärmschutzwände. Erst recht keine einzelne Baumreihe. 

Besonders beeinträchtigend ist das Bremsgleis, welches Tag und Nacht, auch sonn- und feiertags mit Bremsvorgängen der U-Bahnzüge benutzt werden soll und direkt an Schlafzimmerfenstern und Terrassen in reinen Wohngebieten vorbeiführt.

Es sei zudem angemerkt, dass die rechtliche Bürgerbeteiligung mit allen Tricks seitens der Stadt erheblich erschwert wurde: So wurde eine erste Veröffentlichung der aktuellen Planung mitten in der schlimmsten Phase der Coronakrise im Juni 2020 im Amtsblatt durchgeführt. Kein Bürger hat sich zu diesem Zeitpunkt um solche Maßnahmen gekümmert. Aber rechtlich ist die Stadt ihren Verpflichtungen scheinbar nachgekommen. Bürgernähe sieht jedoch anders aus.  

Der Tag-, Nacht-, Sonn- und Feiertags-Betrieb wurde erstmals eine Woche vor den Pfingstferien 2021, in einer nur eine Woche davor bekanntgegebenen MVG Internet-Veranstaltung dargelegt. Die nächstmögliche Frist für Anträge der Bürger im Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach lief unmittelbar danach mitten in den Pfingstferien 2021 ab. 

Wenn dann, wiederum entgegen der Zusicherungen der Stadt, doch die zweite Frist zur Bürgerbeteiligung mitten in den Sommerferien 2021 auf münchen.de veröffentlicht und erst nach einer Vielzahl von Terminanfragen von Bürgern zur Einsicht der Unterlagen wieder gelöscht wird, mag man darin wohlwollend ein Versehen der Stadt sehen. Naheliegend ist jedoch, dass auch hier die Stadt eine Überrumpelungstaktik gegenüber den Bürgern geplant hatte. Bürgernähe sieht anders aus.

Auch scheint es die Stadt mit übrigen Angaben nicht so genau zu nehmen. So wurde behauptet, das Planungsgebiet sei „im Besitz der Stadt“. Das ist nicht richtig. Die Stadt wird sich noch mit verschiedenen Eigentümern auseinandersetzen müssen, wodurch teure Verfahren und Kosten entstehen. Es ist die Rede von Enteignungen. Bürgernähe sieht anders aus.

Festzuhalten ist auch, dass in unweit zu diesem geplanten Betriebshof auf dem ca. 7,2 ha großen Gelände des ehemaligen Siemensparkplatz-Nord in Neuperlach Süd ein weiteres neues Wohnquartier mit einer Geschossfläche von bis zu 80.000 qm mit bis zu 750 Wohnungen gebaut werden soll. Es werden ca. 1500 Neubürger in Neuperlach hinzukommen (vgl. www.sueddeutsche.de/muenchen; 28.05.2020, Hubert Grundner). 

Unabhängig davon, dass man auch städteplanerisch die Frage stellen kann, ob mit dem Bau neuer Wohnungen der Zuzug in die schon am dicht bebautesten Stadt Deutschlands immer weiter ermöglich werden soll (vgl. SZ v. 11./12.09.21, Bauen & Wohnen, S. 45; Marianne Körber), unabhängig von der Beeinträchtigung der Natur, der klimatisch bedenklichen Verdichtung des Bodens durch den Betriebshof und der zusätzlich entstehenden massiven Verkehrsverdichtungen, nicht nur durch das neu geplante Wohnquartier in Neuperlach, drängt sich eine Erkenntnis auf: Die ständige weitere Verdichtung Neuperlachs plus U-Bahn Betriebshof führen zu weiteren erheblichen Belastungen der dort lebenden Menschen.

Schon im Jahr 2017 wurden im Deutschen Ärzteblatt Studien veröffentlicht (vgl. Deutsches Ärzteblatt 24.02.2017), welche Risiken der psychischen Folgen und Erkrankungen für die Menschen in dicht bebauten Stadtgebieten entstehen können. Die gesundheitlichen, sozialen und gesellschaftlichen Folgen der hier vorgenommenen Beplanung wird aber völlig außer Acht gelassen. 

Anstatt Grünflächen wie die hier derzeit landwirtschaftlich genutzte Fläche und den bestehenden Grünzug Gefilde zu schützen und für die Bürger zu bewahren (ohne Lärmschutzwände!), wird Neuperlach zu Lasten von über 16.000 Menschen mit einem zehn Fußballfelder großen Betriebshof mit Bremsgleis vollgestopft! 

Wenn dabei auch noch die Stadt München verlauten lässt, die Alternativfläche für den U-Bahn-Betriebshof in Riem sei nicht geeignet, weil dort Grünfläche erhalten werden soll, dürfen sich die Bürger im Südosten zur Recht „verarscht“ fühlen. In Riem ist an der alternativen Fläche keine Wohnbebauung in vergleichbarer Nähe vorhanden.  

Welche tatsächlichen Motive der Stadt vorliegen, dieses unbebaute Gebiet in Riem als Standort auszuschließen, gleichzeitig den Weiterbau der U-Bahn in den Landkreis samt U-Bahn Betriebshof am Streckenende – wie vom Landkreis ausdrücklich angeboten – zu verhindern und stattdessen Neuperlach weiter zu bebauen, ist aus den verschiedenen Einlassungen der Stadt herauszuhören: die Kosten. 

Das Bürgerwohl, insbesondere die Gesundheit der in Neuperlach Süd, Waldperlach und Neubiberg lebenden Menschen ist der Stadt egal.