Münchner Merkur | BIs stellen Positionen vor

Im Interview mit Harald Hettich vom Münchner Merkur stellen Thomas Fels, Sprecher der Bürgerinitiative U-Bahn Betriebshof Süd und Dr. Oliver Hellmund, Sprecher der Bürgerinitiative Saubere Luft ihre Positionen vor.

Lesen Sie hier den Beitrag des Münchner Merkur (erschienen am 25.07.21) oder das Interview in ungekürzter Form:


1. Die Gründung Ihrer neuen Initiative fällt ausgerechnet in jene Zeit, als der Stadtrat den Bau des geplanten U-Bahnbetriebshofes mehr oder weniger fix beschlossen hat. Als wie realistisch erachten Sie deshalb Ihre Möglichkeiten, dieses Projekt überhaupt noch – entschuldigen Sie den Ausdruck – aufs Bremsgleis schieben zu können?

OH: Glauben Sie uns: Hätten wir irgendetwas von der völlig veränderten Planung der MVG gewusst, wären wir früher auf dem Plan gewesen. Aber bis drei Wochen vor dem anberaumten entscheidenden Stadtrats-Termin hatten wir alle hier immer noch die Planung von 2017 vor Augen. Die war weitestgehend so verträglich, dass wir, wenn auch leichtem Zähneknirschen, grundsätzlich mitgegangen sind. 

Man hat uns Anwohner im guten Glauben an die Zusagen der MVG und der Stadt gelassen und zwischenzeitlich hinter den Kulissen die Planung völlig neu aufgerollt. Was die MVG und der Münchner Stadtrat am 12. Mai dann präsentiert haben, war eine wesentlich größere und belastendere Anlage als bisher vorstellbar. Geht man in die Planungsdetails, soweit sie überhaupt öffentlich sind, wäre es angemessen gewesen, mit dieser Planung erst mal zu stoppen, anstatt sie schnell und unausgegoren durchzudrücken und 16.000 Menschen im unmittelbaren Umfeld des Betriebshofs zu überrollen.

2. Muss es nicht vielmehr Ziel Ihrer Initiative(n) sein, die Umstände eines künftigen Betriebs im engen Dialog mit den Verantwortungsträgern von Stadt und MVG möglichst moderat auszugestalten?

Ihre Teilüberschrift in der Pressemitteilung „Gemeinsam gegen Betriebshof Süd und Bremstestgleis“ und „die Planung als Ganzes ins Visier nehmen“ klingt für mich nach harten Fronten.

TF: Wir bauen hier keine harte Front auf; aber es gibt vieles, was wir an dieser Planung in Frage stellen und darauf bisher noch keine echten Antworten bekommen haben. Ganz vorne weg der ganz offensichtlich minimal ausgelegte Lärmschutz beim Betriebshof und dem dazugehörigen Bremstestgleis. Auch ganz grundsätzliche Fragen wie die Zukunftsperspektiven, die strukturelle Einbindung ins Stadtviertel oder die Vereinbarkeit mit anderen ÖPNV-Projekten bleiben weiterhin unbeantwortet. 

Die MVG wiederholt dazu gebetsmühlenartig, dass gesetzliche Grenzwerte einhalten und der Stadtrat, dass im Rahmen des baurechtlich Zulässigen gehandelt würde. Bei so einer massiven Umgestaltung eines ganzen Stadtviertels, die das Lebensumfeld von zigtausenden Menschen wesentlich und nicht zum Vorteil verändern wird, ist es keine befriedigende Antwort zu betonen, man handle nach Recht und Gesetz. Wir erwarten da mehr. 

Um in einen echten Dialog dazu zu kommen, müssen die Stadt und die MVG die Sorgen und Anliegen der Menschen hier vor Ort erst mal wirklich anhören und ernst nehmen. Sofern der Einstieg in diesen so genannten Dialog zum jetzigen Zeitpunkt, nämlich bevor die wesentlichen Entscheidungen getroffen sind, überhaupt geplant war, ist er der MVG und der Stadt völlig missglückt. 

3. Apropos gemeinsam. Im weiteren erklären Sie, „Die Anliegen Neuperlacher und Waldperlacher Bürger“ besonders im Blick zu haben. Gleichzeitig wollen Sie – offenkundig mit Neubibergs Initiatve – die gemeinsame Schlagkraft erhöhen. Meine Frage wäre, warum Sie diese gemeinsame Schlagkraft ohne Not aufsplitten und damit womöglich die gemeinsame Stimmstärke gegen das Projekt relativieren?

OH: Die BI Saubere Luft und die BI Betriebshof Süd sind Schwestern und gehören mit allen Unterstützern zur selben Familie. Wir verteilen unter uns die Arbeit auf mehrere Schultern. Der U-Bahn Betriebshof ist für uns ja jetzt schon eine Riesen-Baustelle mit vielen Gewerken: Bau- und Verfahrensrecht, Ökologie, Akustik, Verkehr, Politik, Öffentlichkeitsarbeit, um nur mal einige zu nennen. Als Bürgerinitiativen haben wir den Anspruch an uns, und gut organisiert und kompetent aufzustellen. Die Bürgerinitiative Saubere Luft will darüber hinaus auch ihre anderen Engagements wie die geplante Biomasseanlage der Fa. Werner an der Carl-Wery-Straße und der hier drohenden starken Geruchsbelästigung nicht vernachlässigen. 

4. Oder gibt es faktisch- sachliche Gründe und unterschiedliche Interessensansätze in den Initiativen mit städtischem und Landkreis-Schwerpunkt? Wenn ja, welche wären das?

OH + TF: Nein

5. Ich bitte um eine kurze Info, welche Aktionen – gemeinsam oder in den unterschiedlichen Initiativen – sind in der näheren Zukunft von Ihrer Seite geplant?

OH: Wir pochen nach wie vor auf die Herausgabe des Lärmschutzgutachtens. Auch steht ein Besuch im Betriebshof in Fröttmaning an, wo wir gemeinsam mit den SWM/MVG den Dialog suchen werden.

6. In welcher Form und Intensität halten Sie zudem den Dialog mit den städtischen Entscheidern und der MVG aufrecht? 

OH: Wir stehen für einen offenen und konstruktiven Dialog mit den Fraktionen im Stadtrat und im BA16 sowie den SWM und der MVG immer zur Verfügung. Mit diesen, ebenso wie mit dem Landkreis und dem Gemeinderat von Neubiberg, stehen wir ja seit Wochen in Kontakt. In dieser Woche fand ja auch ein erster direkter Dialog mit der MVG im Leiberheim statt.

7. Welche Alternativstandorte für einen faktisch notwendigen zweiten Betriebshof haben Sie bislang erarbeitet? Meines Wissens hatte sich die Ursprungs-Initiative für einen Standort weiter außerhalb in Richtung Taufkirchen ausgesprochen – weil dorthin ja die U-Bahnstrecke dereinst erweitert werden soll. Gibt es Ihrerseits auch noch andere Vorstellungen? 

OH: Wir wurden erst gestern in der Informationsveranstaltung der SPD von Stadtrat Gradl eingeladen, einen alternativen Standort für den Betriebshof zu finden. Bisher sahen wir uns eher in der Position, die Standortentscheidung zu hinterfragen, um sie nachvollziehen zu können – oder gegebenenfalls auch nicht. Angesichts der drastisch gestiegenen Anforderungen an diesen Betrieb drängt sich die Standortfrage sofort auf. Während 2017 noch ein werktäglicher Tagbetrieb zugrunde gelegt wurde, braucht es jetzt zwingend einen 24/7 Betrieb, Tag und Nacht, ohne Ruhezeiten. Geht das inmitten von Wohn- und Erholungsgebieten und wenn wie, außer mit Gewalt im Rahmen des gesetzlich gerade noch zulässigen. 

TF: Wir hinterfragen den Standort auch auf seine zukünftigen Entwicklungsperspektiven hin. Die MVG weiß ja jetzt schon, dass wir Ende der 2020er Jahre auch mit der dann völlig neuen Anlage schon wieder an den Grenzen sind und weitere Abstellkapazitäten bauen müssen. Bevor überhaupt die Baugenehmigung für den zweiten Betriebshof in Sicht ist, denkt die MVG schon über einen dritten Betriebshof nach. 

Wir haben hinterfragt, warum der Alternativstandort Riem ausgeschieden ist. Die Antwort: Naturschutz in Riem ist wichtiger als Naturschutz in Waldperlach und geht vor Bürgerschutz. 

Wir hinterfragen, ob und wie der Betriebshof mit der Verlängerung der U-Bahn nach Ottobrunn und Taufkirchen und dem zweigleisigen Ausbau der S-Bahn sinnvoll zu vereinbaren ist. 

Wir hinterfragen, warum die Stadt die Angebote aus dem Landkreis ablehnt, einen großen, langfristig ausreichenden Betriebshof außerhalb unseres eh schon dichten, gemeinsamen Siedlungsraums zu bauen, wo es weder Anwohner noch Platzprobleme gibt. Wir verstehen, dass es einfacher und billiger ist, erst mal im eigenen Vorgarten zu flickschustern. Inzwischen versucht der Landkreis mit Seil- und Magnetschwebebahn-Plänen, seine Verkehrsprobleme zu lösen, bis endlich die U-Bahn kommt. Seit zwei Wochen ist der neue Universitätsstandort in Taufkirchen/Ottobrunn eröffnet, zu dem künftig täglich allein 4000 Studierende pendeln werden.

Wir empfehlen hier dringend einen gemeinsamen Großraum-Ansatz, erarbeitet von Stadt, Landkreis und dem Land Bayern. Wir glauben, dass die LHM die Herausforderungen im ÖPNV nicht mehr alleine in den Grenzen der Stadt lösen kann. Das macht schon der zukünftig notwendige dritte U-Bahnbetriebshof deutlich. Auch wird die Corona bedingte Finanzsituation der Landeshauptstadt München es notwendig machen, über die Stadtgrenzen hinaus zu denken und zu handeln. Was braucht es, um wirklich eine Vision und den politischen Willen zu entwickeln, die Verkehrswende und den Klimawandel richtig anzugehen? 

8. Dürfte egal an welchem Standort auch dort nicht ebenfalls mit erheblichem Bürgerwiderstand von Anwohnerseite zu rechnen sein?  

OH: Wie Sie bereits schreiben: Ohne einen bürgernahen Dialog und die rechtzeitige Einbindung der Menschen vor Ort geht gar nichts. Egal ob in der Stadt München oder im Landkreis. Das sollte den Planern der MVG bewusst sein.